Interviewer: Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, ich begrüsse Sie heute Abend im Namen des Schweizer Fernsehens ganz herzlich bei den Zeitzeugen der Sternstunde. Aber zuerst ‘guetenaabig Herr Dan, schön sind si hier’ (Zürcher Dialekt).
Gabriel Dan: ‘Grüezi mitenand’ (Zürcher Dialekt)
Interviewer: Herr Dan, bevor für Sie vor rund 42 Jahren ein neuer Lebensabschnitt am Zürichsee im Baur au Lac begann, brach in Łódź die Revolution aus. Insgesamt starben in sieben Wochen 36 Tausend Menschen. Und mittendrin das Hotel Savoy. Abgebrannt und von den Revolutionären wieder aufgebaut, als Symbol der sozialen Ungerechtigkeit, als Erinnerung an eine Zeit, die sich nicht wiederholen sollte. Und Sie haben alles miterlebt, Sie waren ein aktiver Teil der Revolution, sogar einer der Anführer, bis Sie vier Monate später in die Schweiz reisten. Warum haben Sie sich der Revolution angeschlossen?
Gabriel Dan: Es gibt nicht nur einen Grund, aber ein Grund war sicherlich das Gefühl der Verbundenheit mit den Kriegsheimkehrern. Wir haben alle auf der gleichen Seite gekämpft, und ich hatte das Gefühl, dass ich hier das Gleiche tun sollte. Jeden Tag bin ich praktisch durch alle sozialen Schichten, durch alle Etagen gegangen, nur damit mir das Hotel von Tag zu Tag weniger gefiel.
Interviewer: Wenn wir schon von sozialen Klassen sprechen, was war für Sie das Schlimmste an der damaligen Klassengesellschaft?
Gabriel Dan: Dass man, wenn man ganz unten in der Gesellschaft war, dreimal so viel arbeiten konnte wie jemand, der über einem stand, und trotzdem nicht annähernd gleich bezahlt wurde. Aber auch generell, wie das Leben der Unterschicht gesehen wurde, vor allem, welchen Stellenwert oder Wert dieses Leben überhaupt hatte. Die Gesellschaft war zum Teil schon allgemein entfremdet, aber bei den Reichen war es noch eine Stufe schlimmer. Getrennt von der Unterschicht lebten sie von ihrem Reichtum auf Kosten der Arbeiter.
Interviewer: Wir sind vor dem Interview kurz die Namensliste der Hotelbewohner durchgegangen und sind auf eine Person gestossen, die Ihnen bekannt vorkommen wird: Stasia. Haben Sie noch Kontakt zu ihr?
Gabriel Dan: Stasia? Das ist fast ein halbes Jahrhundert her. Woher wissen Sie das?
Interview: Ignatz, oder besser Kaleguropulos, hatte einen Sohn, dem er abends immer erzählte, was passiert war. Damals war er noch ein kleiner rotwangiger Knirps. Heute ist er über fünfzig Jahre alt und hat vor vier Wochen auch an einem Interview mit uns teilgenommen. Können Sie uns mehr über Ihre persönlichen Erfahrungen mit Stasia erzählen und ob sie schliesslich nach Paris gegangen ist?
Gabriel Dan: Stasia, ja, eine Frau, die in meinen Gedanken immer präsent ist. Sie war ein Symbol der Hoffnung und der Ungewissheit in dieser verwirrenden Zeit. Unsere Beziehung war geprägt von einer intensiven, aber unausgesprochenen Verbundenheit in dieser entfremdeten Welt. Sie träumte davon, Paris zu sehen, von Freiheit und Neuanfang. Leider habe ich nie erfahren, ob sie diesen Traum verwirklichen konnte. Unsere Wege trennten sich inmitten der Wirren, und ich habe seitdem nichts mehr von ihr gehört.
Interviewer: Das klingt nach einer tiefen emotionalen Verbindung. Sie sprachen von Heimat. Was bedeutete Heimat für Sie damals und was bedeutet sie für Sie heute?
Gabriel Dan: Heimat war für mich lange Zeit ein schwer fassbarer Begriff. Damals, im Strudel der Ereignisse, war Heimat ein Ort der Zugehörigkeit, ein Gefühl der Verbundenheit mit Menschen, die ähnliches Leid erfahren hatten. Heute sehe ich Heimat mehr als einen inneren Frieden, eine Ruhe, die ich in der Schweiz gefunden habe. Es ist weniger ein physischer Ort als ein Zustand des Geistes und des Herzens.
Interviewer: Das ist eine sehr tiefgründige Sicht. Eine letzte Frage, Herr Dan. Wie sehen Sie rückblickend die Rolle des Hotel Savoy bei all dem?
Gabriel Dan: Das Hotel Savoy war mehr als nur ein Gebäude. Es war ein Mikrokosmos der damaligen Gesellschaft, ein Spiegelbild der Klassenunterschiede und sozialen Spannungen. Für mich und viele andere war es ein Ort des Erwachens, der Erkenntnis von Ungerechtigkeiten und des Anstosses zur Veränderung. Es war Gefängnis und Zufluchtsort zugleich, ein Ort, an dem sich Lebenswege kreuzten und Schicksale verändert wurden.
Interviewer: Vielen Dank, Herr Dan, für dieses tiefgründige und aufschlussreiche Gespräch. Es war uns eine Ehre, an Ihren Erfahrungen und Gedanken teilhaben zu dürfen. Ich wünsche Ihnen alles Gute.
Gabriel Dan: Vielen Dank. Es war mir eine Freude, meine Erfahrungen mit Ihnen zu teilen. Auf Wiedersehen.
Interviewer: Und auch Ihnen, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, wünsche ich einen schönen Mitwuch abig. Uf wiederluege.
Gabriel Dan: ‘Grüezi mitenand’ (Zürcher Dialekt)
Interviewer: Herr Dan, bevor für Sie vor rund 42 Jahren ein neuer Lebensabschnitt am Zürichsee im Baur au Lac begann, brach in Łódź die Revolution aus. Insgesamt starben in sieben Wochen 36 Tausend Menschen. Und mittendrin das Hotel Savoy. Abgebrannt und von den Revolutionären wieder aufgebaut, als Symbol der sozialen Ungerechtigkeit, als Erinnerung an eine Zeit, die sich nicht wiederholen sollte. Und Sie haben alles miterlebt, Sie waren ein aktiver Teil der Revolution, sogar einer der Anführer, bis Sie vier Monate später in die Schweiz reisten. Warum haben Sie sich der Revolution angeschlossen?
Gabriel Dan: Es gibt nicht nur einen Grund, aber ein Grund war sicherlich das Gefühl der Verbundenheit mit den Kriegsheimkehrern. Wir haben alle auf der gleichen Seite gekämpft, und ich hatte das Gefühl, dass ich hier das Gleiche tun sollte. Jeden Tag bin ich praktisch durch alle sozialen Schichten, durch alle Etagen gegangen, nur damit mir das Hotel von Tag zu Tag weniger gefiel.
Interviewer: Wenn wir schon von sozialen Klassen sprechen, was war für Sie das Schlimmste an der damaligen Klassengesellschaft?
Gabriel Dan: Dass man, wenn man ganz unten in der Gesellschaft war, dreimal so viel arbeiten konnte wie jemand, der über einem stand, und trotzdem nicht annähernd gleich bezahlt wurde. Aber auch generell, wie das Leben der Unterschicht gesehen wurde, vor allem, welchen Stellenwert oder Wert dieses Leben überhaupt hatte. Die Gesellschaft war zum Teil schon allgemein entfremdet, aber bei den Reichen war es noch eine Stufe schlimmer. Getrennt von der Unterschicht lebten sie von ihrem Reichtum auf Kosten der Arbeiter.
Interviewer: Wir sind vor dem Interview kurz die Namensliste der Hotelbewohner durchgegangen und sind auf eine Person gestossen, die Ihnen bekannt vorkommen wird: Stasia. Haben Sie noch Kontakt zu ihr?
Gabriel Dan: Stasia? Das ist fast ein halbes Jahrhundert her. Woher wissen Sie das?
Interview: Ignatz, oder besser Kaleguropulos, hatte einen Sohn, dem er abends immer erzählte, was passiert war. Damals war er noch ein kleiner rotwangiger Knirps. Heute ist er über fünfzig Jahre alt und hat vor vier Wochen auch an einem Interview mit uns teilgenommen. Können Sie uns mehr über Ihre persönlichen Erfahrungen mit Stasia erzählen und ob sie schliesslich nach Paris gegangen ist?
Gabriel Dan: Stasia, ja, eine Frau, die in meinen Gedanken immer präsent ist. Sie war ein Symbol der Hoffnung und der Ungewissheit in dieser verwirrenden Zeit. Unsere Beziehung war geprägt von einer intensiven, aber unausgesprochenen Verbundenheit in dieser entfremdeten Welt. Sie träumte davon, Paris zu sehen, von Freiheit und Neuanfang. Leider habe ich nie erfahren, ob sie diesen Traum verwirklichen konnte. Unsere Wege trennten sich inmitten der Wirren, und ich habe seitdem nichts mehr von ihr gehört.
Interviewer: Das klingt nach einer tiefen emotionalen Verbindung. Sie sprachen von Heimat. Was bedeutete Heimat für Sie damals und was bedeutet sie für Sie heute?
Gabriel Dan: Heimat war für mich lange Zeit ein schwer fassbarer Begriff. Damals, im Strudel der Ereignisse, war Heimat ein Ort der Zugehörigkeit, ein Gefühl der Verbundenheit mit Menschen, die ähnliches Leid erfahren hatten. Heute sehe ich Heimat mehr als einen inneren Frieden, eine Ruhe, die ich in der Schweiz gefunden habe. Es ist weniger ein physischer Ort als ein Zustand des Geistes und des Herzens.
Interviewer: Das ist eine sehr tiefgründige Sicht. Eine letzte Frage, Herr Dan. Wie sehen Sie rückblickend die Rolle des Hotel Savoy bei all dem?
Gabriel Dan: Das Hotel Savoy war mehr als nur ein Gebäude. Es war ein Mikrokosmos der damaligen Gesellschaft, ein Spiegelbild der Klassenunterschiede und sozialen Spannungen. Für mich und viele andere war es ein Ort des Erwachens, der Erkenntnis von Ungerechtigkeiten und des Anstosses zur Veränderung. Es war Gefängnis und Zufluchtsort zugleich, ein Ort, an dem sich Lebenswege kreuzten und Schicksale verändert wurden.
Interviewer: Vielen Dank, Herr Dan, für dieses tiefgründige und aufschlussreiche Gespräch. Es war uns eine Ehre, an Ihren Erfahrungen und Gedanken teilhaben zu dürfen. Ich wünsche Ihnen alles Gute.
Gabriel Dan: Vielen Dank. Es war mir eine Freude, meine Erfahrungen mit Ihnen zu teilen. Auf Wiedersehen.
Interviewer: Und auch Ihnen, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, wünsche ich einen schönen Mitwuch abig. Uf wiederluege.